Ethos und Ethik
Das Ziel des Kolibri-Ethos ist, ein knappes Grundethos aus wenigen ethischen Grundbegriffen und Grundforderungen aufzustellen,
das möglichst viele motiviert, sich mit ethischen Fragen tiefer zu beschäftigen.
Das Basisethos soll als Bereicherung, als wegweisende Struktur und als einfach umsetzbare Hilfe
für das persönliche Leben (Lebenskunst) erfahren werden.
Es will Impulse geben und kann weder Pflicht noch Norm sein, da jeder sein eigenes Ethos entwickelt,
in seinem Leben/durch sein Leben formuliert und auslegt zu seiner Ethik.
Ein Ethos zum Entfalten - eine Ethik zum Durchwandern
Ethos wird hier verstanden als eine kurze Zusammenfassung grundlegender ethischer Aussagen,
die darüber hinaus Grundhaltungen, Träume, Wünsche, Hoffnungen und Ziele ausdrücken.
Eine Ethik ist dagegen eine Abhandlung aller wichtigen ethischen Fragen und Themengebiete
aus einem bestimmten Blickwinkel oder von einer bestimmten philosophischen, theologischen,
religiösen oder ethischen Position aus.
Ein Ethos schöpft seine Kraft aus der Dichte, eine Ethik aus ihrem Umfang.
Ein Ethos will entfaltet werden, eine Ethik durchwandert und durchdacht.
Das Kolibri-Ethos ist eine Verdichtung auf der Basis verschiedener ethischer Ansätze (Situationsethik,
Normenethik, Werteethik, Tugendethik, Verantwortungsethik, Gesinnungsethik, ...)
und kann nur zu einer vielfältigen und offenen Ethik
entfaltet werden.
Dabei gilt jedoch:
Vielfalt ist nicht Beliebigkeit!
Freiheit ist nicht Verantwortungslosigkeit!
Kreativität ist nicht Stillosigkeit!
Offenheit ist nicht Grenzenlosigkeit!
Toleranz ist nicht Kritiklosigkeit!
Ethos und Ethik im Spannungsfeld von Philosophie, Wissenschaft und Alltag
Der Ethik wird manchmal vorgeworfen, nicht richtig philosophisch und wissenschaftlich zu
sein, weil sich das Gute und ihre Grundsätze nicht erforschen lassen oder als Axiome nicht taugen
(zu allgemein, zu nichtssagend, zu beliebig definierbar).
Gleichzeitig wirft man der Ethik vor, zu abstrakt zu sein, um im Alltag weiterzuhelfen,
nicht praktisch anwendbar zu sein, alles zu kompliziert und zu schwer zum machen,
so dass die Menschen sich schlecht, schuldig und unvollkommen fühlen, angesichts der perfekten,
idealen Forderungen, wie man zu leben hätte.
In diesem Spannungsfeld will das Kolibri-Ethos Grundbegriffe und Grundregeln beschreiben und
diese bis hin zu praktischen Alltagshilfen auszulegen helfen.
Sätze wie "Tue das Gute" sind zwar schön und richtig, aber wie können sie befolgt werden
und wie kann für diesen Weg ein sicherer Beitrag geleistet werden?
So fragt beispielsweise Victor Brod in seinem Buch "Die Ich-Du-Beziehung als Erfahrungsgrundlage der Ethik"
Im wirklichen Leben führen allgemeine ethische Sätze oft zu Widersprüchen.
Was dem einen gut tut, tut dem andren weh. Das Entfalten des einen stellt den anderen in den Schatten.
Das Kolibri-Ethos versucht durch eine Vernetzung der Begriffe, durch ein sich gegenseitiges Auslegen und Begrenzen,
durch die Betonung der konkreten Situation hier und der Ideale bzw. der idealen Werte dort
einen sich ausrichtenden Weg zu finden, oder zumindest den Einzelnen zu schulen sicherere Wege
durch all diese Spannungsfelder und Widersprüche zu finden.
Dabei tritt das Bewerten, Verurteilen, das Jammern über all die Probleme in den Hintergrund.
Wichtig ist es den nächsten Schritt in Richtung seiner Träume zu gehen
und die Träume immer klarer, konkreter, wirklicher zu träumen, bis sie die Wirklichkeit berühren und verzaubern!
Wichtig ist es, die Energie der realitätsgenauen Kritik in eine kleine genauso reale Verbesserung umzuwandeln.
Im Alltag muss ich auch nicht in jedem Moment genau wissen, wo ich stehe, wo gut, wo böse, wo vor und wo zurück ist.
Im Sturm weiß der Kapitän das auch nicht. Er versucht nur zu überleben, sein Schiff zu retten
und erst nach dem Sturm festzustellen, wie weit er vom Kurs abgekommen ist und wie es weitergehen kann.
Wichtige ethische Ansätze, Grundbegriffe und Erkenntnisse
Eine Individualethik überlässt es dem Einzelnen subjektiv herauszufinden, was der gute und rechte Weg ist und ihn zu gehen.
Der Einzelne ist dabei oft überfordert.
Auch beim Kolibri-Ethos ist das eigene Auslegen und Verstehen zentral.
Dabei beginnt man jedoch nicht bei Null
und jeder kann sich eine bekannte und erprobte Ethik oder Norm als Starthilfe und Anfangspunkt nehmen.
Ebenso ist der Dialog und die Zusammenarbeit mit anderen wichtig, wobei
und wodurch der eigene Weg korrigiert werden kann.
Eine Situationsethik relativiert allgemeine Normen, da die Verschiedenheit der Individuen und die Vielfalt der Situationen zu groß ist,
als dass allgemeine Normen hier weiterhelfen.
Das Kolibri-Ethos nimmt die allgemeinen Normen und Menschenrechte als Basis für Auslegungen in konkrete Lebensumstände.
Weisheiten, Normen, Strukturen und Erkenntnisse sind wichtig und hilfreich bei der Analyse der Situation,
bei der Entscheidungsfindung und bei der Umsetzung ethischer Entscheidungen.
Eine Pflichtethik verpflichtet den Menschen auf konkrete Normen,
die oft religiös legitimiert und unumstößlich sind (moralischer Absolutismus beim Tötungsverbot).
Das Kolibri-Ethos akzeptiert solche Verpflichtungen als persönliche Entscheidungen,
will aber dass andere Wege und Entwürfe anerkannt und nicht verteufelt werden.
Auch innerhalb solcher fester Normen ist die Bandbreite an Auslegungen überraschend groß
und eine gute Vorgehensweise beim Auslegen wichtig.
Jede Auslegung einer Pflichtethik sollte transparent und interaktiv, nicht diktatorisch erfolgen.
Eine Sozialethik nimmt die Gemeinschaft und die Gesellschaft in den Blick:
"Es geht der Sozialethik aber nicht um das Handeln einzelner Personen, sondern um die Solidarität, Subsidiarität
und Kooperation verantwortlicher Personen unterschiedlicher Sozialbereiche." (aaO. Wikipedia:Sozialethik)
Auch für das Kolibri-Ethos ist die Gesellschaft als Wirkort und als Basis unseres Lebens zentral.
Eine Gesinnungsethik betont die Absicht des Individuums, auch wenn die Durchführung misslingt.
Auch das Kolibri-Ethos stellt das Wollen und die Motivation an den Anfang und ins Zentrum.
Wir müssen unseren Willen, unsere Absicht und unsere Motivation formen und vertiefen und lenken, um Liebe immer besser realisieren zu können.
Beispiel für ethische Modelle und Entwürfe:
Ruth Lapide - Weltethos auf Sparflamme ein Basisethos der jüdischen Historikerin und Religionswissenschaftlerin Ruth Lapide.
(Quelle: "Ist ein Ethos der Religionen möglich?")
Logos, Ethos, Pathos und Kairos als Grunddimensionen ethischen Handelns
Die Liebesvorstellungen der Antike als Orientierung und Anstoß
Prof. Dr. Hans Küngs Weltethos als großer Bruder des kleinen Kolibri-Ethos
Allgemeine Erklärung der Menschenpflichten
Die Visionen und Werte der Tempelhof-Gemeinschaft
Sammlung von zentralen ethischen Zusammenstellungen verschiedener Kulturen
Dieser Bereich wurde auf einen neue Seite Tugendkataloge und Ethostexte ausgelagert.
Siehe dazu auch: Wikipedia:Kategorie:Ethik